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Der gegen die Einstellung der Ermittlungen wegen des Massakers von Sant' Anna di Stazzema gerichtete Klageerzwingungsantrag hat überwiegend keinen Erfolg

Datum: 06.11.2013

Kurzbeschreibung: 

Durch Beschluss vom 30.10.2013 (3 Ws 285/13) hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe den die Bescheide der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 26.09.2012  und der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 15.05.2013 betreffenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen, soweit es vier Beschuldigte anbelangt; hinsichtlich des weiteren Beschuldigten wurde die Entscheidung zurückgestellt.

 

Gegenstand des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs- und des gerichtlichen Klageerzwingungsverfahrens ist das Massaker von Sant‘ Anna di Stazzema/Italien am 12.08.1944, in dessen Verlauf Soldaten des II. Bataillons des 35. Regiments der 16. SS-Panzergrenadier- division „Reichsführer SS“ mehrere Hundert Zivilisten, vornehmlich Frauen und Kinder, ermordet hatten.

 

Der 3. Strafsenat hat den Klageerzwingungsantrag bereits als unzulässig angesehen, soweit es die Beschuldigten A. B., I. L., und T. S. betrifft. Der Antrag genüge insofern nicht den Zulässigkeitsanforderungen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO, insbesondere mangle es an der nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte erforderlichen Auseinandersetzung mit der Argumentation in den Bescheiden der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft.

 

Nach Auffassung des Senats wäre der Klageerzwingungsantrag hinsichtlich dieser drei Beschuldigten aber auch unbegründet gewesen.

Bei dem Beschuldigten A. B. sei festgestellt worden, dass er aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft verhandlungsunfähig sei, so dass - wegen eines Verfahrenshindernisses - keine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit bestehe.

 

Dem weiteren Beschuldigten I. L. könne ein zumindest bedingter Tötungsvorsatz nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden. Der zum damaligen Zeitpunkt 18 Jahre alte Beschuldigte sei als SS-Grenadier einfacher Mannschaftsdienstgrad und als solcher mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in die Planungen des Einsatzes eingebunden gewesen. Selbst bei Annahme einer von Anfang an vorgeplanten Vernichtungsaktion an der Zivilbevölkerung kann nach Auffassung des Senats nicht mit hinreichender Verurteilungswahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass die einfachen Mannschaftsdienstgrade von dieser Planung Kenntnis gehabt hätten. Insofern stimme der Senat überein mit dem Urteil des Militärgerichts La Spezia vom 22.6.2005, das ebenfalls das Massaker von Sant‘ Anna di Stazzema zum Gegenstand hatte. Das Militärgericht La Spezia gehe in diesem Urteil von einer vorgeplanten Vernichtungsaktion gegen die Zivilbevölkerung von Sant’ Anna di Stazzema aus und stelle ausdrücklich fest, dass die Annahme einer vorgeplanten Vernichtungsaktion nicht durch die Behauptung einiger ehemaliger deutscher Soldaten widerlegt werde, der zufolge sie die Befehle im letzten Moment bekommen hätten - wahrscheinlich sogar vor Ort ohne Vorankündigung - und ihnen ausschließlich die Gefangennahme und Verhaftung, nicht jedoch die Tötung von Personen befohlen worden sei. Es sei ganz klar, dass der Befehl nicht sofort bis zum untersten hierarchischen Glied weitergegeben worden sei. Da bekannt sei, so das Militärgericht La Spezia weiter, dass das Treffen von Entscheidungen und das Planen militärischer Entscheidungen einzig und allein in den Kompetenzbereich der Offiziere und Unteroffiziere falle, verstehe es sich von selbst, dass allein sie im Vorfeld gewusst hätten, welche Taten begangen würden.

 

Bei dem Beschuldigten T. S., einem ehemaligen Kompanieführer, sei nach den durchgeführten Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich, dass er sich am Tattag im Lazarett befunden und damit nicht an dem Massaker teilgenommen habe.

 

Hinsichtlich des Beschuldigten K. G. hat der Senat das Verfahren eingestellt, weil er während des Klageerzwingungsverfahrens verstarb.

 

Bei dem Beschuldigten G. S. bedürfe noch weiterer Abklärung, ob er aus gesundheitlichen Gründen (dauerhaft) verhandlungsunfähig sei. Deshalb hat der Senat insofern die Entscheidung über den Klageerzwingungsantrag zurückgestellt.

 

 

Hinweise auf den Gesetzestext:

§ 172 [Klageerzwingungsverfahren]

  (1) 1Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. 2Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. 3Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.

  (2) 1Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. 2Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. 3Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.

  (3) 1Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. 2Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. 3Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.

  (4) 1Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. 2§ 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist sinngemäß anzuwenden.

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